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Altonaer FC 93 |
16.08.2002, Adolf-Jäger-Kampfbahn, Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein |
Der Altonaer FC 93 ist nach fünf Jahren aus der Verbandsliga Hamburg Aufgestiegen, in die man sich
1997 nach dem Abstieg aus der Regionalliga Nord zurückgezogen hat. Beim AFC handelt es sich um ein echtes Traditionsteam, das 1909 und 1924 nordeusche Meisterschaften errungen hat, mit Karl Hanssen, Hans Werntorf und Stadion-Namensgeber Adolf Jäger zwischen 1910 und 1928 drei Nationalspieler in seinen Reihen hatte und später in der damals erstklassigen Oberliga Nord zweimal 27000 Zuschauer zu den damals äußerst beliebten Derbies gegen den HSV an die Griegstraße locken konnte. Ein Derby gibt es zur Heimpremiere des AFC in der nunmehr viertklassigen Oberliga Hamburg/Schlewig-Holstein wieder, nur daß man bei einer Partie gegen die zweite Mannschaft des FC St. Pauli ein wenig tiefer staplen muß. Immerhin gelten die Anhänger der beiden Teams als einander eher zugetan und reden angesichts der eher alternativen Fanstrukturen der Kontrahenten selbst von einem Zeckenderby, so daß man davon ausgehen darf, sich heute auf ein sportlich interessantes Spiel - immerhin ist St. Pauli im Vorjahr nur knapp an der Oberligameisterschaft gescheitert - in freundschaftlicher Atmosphäre freuen darf.
Die Partie kann sportlich kaum halten, was sie zuvor versprochen hat. Zwar geht es munter hin und her,
aber die Torhüter warten größtenteils vergeblich auf Profilierungsmöglichkeiten und kommen nur bei Rückpässen in Kontakt mit dem runden Leder. Nach etwas mehr als einer Hälfte kommt es zu einem Straßstoß für die Gäste, eine aus Sicht unseres Vertreters eher strittige Entscheidung, da es mehr nach einem Zusammenprall zweier Spieler aussieht. Diese Chance nutzt nicht der FC St. Pauli zum Führungstreffer sondern Heim-Torhüter Rainer Maak, um sich als Elfmeterkiller zu präsentieren. Nach fünf Minuten im zweiten Abschnitt steht dann der Elfmeterheld etwas dumm da, als er sich von einem Heber überlisten läßt, so daß die Gäste jetzt doch noch zum Führungstreffer kommen, der das einzige Tor der Partie bleiben soll. Insgesamt ergibt sich so wohl für die Gäste das Fazit, sein soll gerade so erreicht zu haben, während die Gastgeber letztendlich mit der Partie zufrieden sein können, haben sie doch über weite Strecken mit einem Aufstiegsfavoriten gut mitgehalten.
Obwohl die Anhänger der beiden Teams wie schon erwähnt als befreundet gelten, gibt es zwei
getrennte Fanblöcke. Die Altona 93 Anhänger bauen sich zum großteil mit einigen
Transparenten auf den Stufen neben der Haupttribüne auf, während sich der Anhang des FC St. Pauli auf der Gegengeraden plaziert. Es heißt auch, daß viele Anhänger von Altona dem FC St. Pauli eher untreu gewordene Fans seien, die den zum Erhalt des Profifußballs freilich nötigen, Weg der Kommerzialisierung bei den Braun-Weißen nicht mitgehen wollen.
Zum Beginn von erster und zweiter Halbzeit zeigen die Gästefans ein wenig Ultra-Ambitionen (bekanntermaßen setzt sich diese Art der Fankultur trotz der Skepsis großer Teile der St.-Pauli-Fans mehr und mehr auch am Millerntor durch) und zeigen ein Intro mit Plastikbändern, Fahnen und etwas Rauch. Während der zweiten Halbzeit präsentiert man in einem Hintetorbereich noch ein Transparent, daß die MoPo daran erinnern soll, daß der Verein FC St. Pauli und nicht Pauli heiße. Die AFC-Fans bringen auch ein oder zweimal einen Sprechchor über die Lippen, während die Gästefans sich eher ruhig präsentieren. Für eine ständige, etwas nervige, Geräuschkulisse sorgen die Dreh-Rasseln, die offensichtlich von einem Sponsoren ausgegeben wurden und vor allem von den anwesenden Kindern exzessiv ausgetestet werden. Ansonsten präsentieren sich beide Fangruppen durchaus so farbenfroh, wie es wohl allgemein von ihnen erwartet würde. Allerdings findet man auch Gestalten vor, die bei diesem Derby etwas deplaziert wirken, z. B. einen Herren, der auf dem Oberarm ein Tattoo spazieren trägt, daß den Schriftzug Deutschland oberhalb einer Bulldogge trägt, die einen Baseballschläger im Maul hält.
Die Adolf-Jäger-Kampfbahn soll demnächst umgbaut werden, so daß sich beeilen muß, wer sie noch in jetzigen Form erleben will. Es handelt sich um eine recht weitläufige Anlage, die
auf einer Längsseite über eine Tribüne und einige Stufen verfügt, auf der anderen Längsseite ebenfalls mit mehreren Stufen ausgebaut ist. Hinter einem Tor findet sich ein Graswall, auf dem übrigens ein zweiter kleiner Altona-Fanblock Platz findet und gegenüber gibt es weitläufige ovale Stehtraversen, die aber offensichtlich nicht mehr genutzt werden und mit Gestrüp überwuchert sind. Nicht genutzt gilt hierbei allerdings nur für das Anschauen von Fußballspielen, denn das Gestrüpp besteht aus Brombeersträuchern, so daß sich der eine oder die andere auch schonmal aufmacht, eine kleine Zwischenmahlzeit einzunehmen - immerhin ist gerade Ernetzeit. Hinter der Tribüne findet sich übrigens neben weiteren Brombeersträuchern (mit dem Nachteil, daß man hier beim Beerenessen das Spiel vernachlässigen muß) ein recht putziger Geräteschuppen, bei dem wohl keine zwei Wände parallel stehen und die Toilettenanlagen, die dafür sorgen, daß überhaupt mehr als ein paar Zuschauer die Tribünenrückseite zu sehen bekommen.
Ein Flutlicht gibt es auch in der Kampfbahn - zwar macht es beim ersten Anblick einen etwas mickrigen Eindruck, beweist aber später bei Einbrechender Dunkelheit, daß es durchaus zum Erhellen der Situation beitragen kann. Beim Betreten der Anlage findet man übrigens direkt auf der rechten Seite ein Ehrenmal für die Kriegstoten vor - ein aus heutiger Sicht wohl durchaus etwas zwiespäliges Momument. Es war ursprünglich nur für Adolf Jäger errichtet worden, der 1944 als 55jährig als Flakhelfer bei Bombardierungen in der Nähe des Hamburger Fischmarkts ums Leben kam. Zuvor spielte er 16 Jahre lang in der Nationalmannschaft, was bis heute nur von Fritz Walter (28 Jahre) und Lothar Matthäus (20 Jahre) übertroffen wird. Aufgrund der spärlichen Spiele in diesem Jahren und der Weigerung des Militärs, Jäger in den Jahren 1909 bis 1911 für Spiele freizustellen sowie dem folgenden ersten Weltkrieg, der den internationalen Spielbetrieb völlig zum erliegen brachte, kam er jedoch in dieser Zeit zu nicht mehr als 18 Einsätzen, davon 10 mal als Kaptitän.
Interessant ist übrigens auch die Spielkleidung von Altona 93, die in vielleicht sogar
einzigartigem Rot-Weiß-Schwarz gestreiften Dreß auflaufen. Darauf ist man auch gehörig stolz, was folgende Anekdote belegen mag: einstmals wagte ein Leserbriefschreiber eine böse Kritik an der Spielkleidung und verstieg sich in die Behauptung "Die Spieler gleichen unfreiwillig einem Cirkusclown". Das konnte man nicht auf sich sitzenlasse: "Uns sind unsere seit weit über 50 Jahren durch dick und dünn getragenen Vereinsfarben etwas Heiliges, ja, etwas Kostbares. Schöner grüner Rasen, der wundervolle schwarz-weiß-rote Dress, die weiße Hose" seien mithin "ein prächtiges Bild von symphonischer Farbenschönheit." Dem kann man wohl kaum etwas entgegensetzen und auch das leichte Magengrimmen des Verfassers dieser Zeilen - der sich während des Spiels von der Kombination (ein wenig) an die Farben Deuschlands in undemokratischen Zeiten erinnert fühlt, ist wohl eher in den Bereich eine leichten Paranoia zu verweisen und tritt somit in den Hintergrund.
Ein Teil der Informationen in diesem Bericht stammt aus folgenden Büchern: |