1. FC Köln |
17.09.2012, Müngersdorfer Stadion, 2. Liga |
Man kann nicht sagen, daß der 1. FC Köln und der FC St. Pauli in der deutschen Fußballgeschichte
gegeneinander gespielt haben, als gäbe es kein Morgen mehr, aber zumindest seit den 1970er Jahren
laufen sich Geißböcke und Kiezkicker regelmäßig über den Weg. Den Einstandsbesuch machte 1975 im DFB-Pokal der zweitklassige
FC St. Pauli, der von dem Bundesligisten 1. FC Köln mit 4:1 heimgeschickt wurde. Ab dem Aufstieg der
Braun-Weißen 1977 traf man regelmäßig in der Meisterschaft aufeinander, ab dem ersten Abstieg der Kölner
1998 auch gerne einmal im Unterhaus. So ist es auch heute, nachdem die heutigen Gegner noch vor zwei Jahren
in der Bundesliga die Klingen kreuzten, und Spötter meinen schon jetzt, daß man das Duell vielleicht im
kommenden Jahr einmal in der 3. Liga ausprobieren könne. Das ist nach dem 4. Spieltag der aktuellen Saison
vielleicht ein wenig früh, aber Tatsache ist, daß beide weit hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben sind,
wobei sich die Situation der Hamburger mit fünf Zählern aus vier Spielen auf Platz 11 zu stehen noch
vergleichweise harmlos gegen die der Geißböcke ist, die einen einzigen Punkt ergattern konnten. Das im
Heimspiel gegen den SV Sandhausen, der in seinem anderen bisher absolvierten Auswärtsspiel für St. Pauli zum
bisher einzigen Lieferanten von drei Punkten geworden ist.
Wer heute nach Müngersdorf kommt, um sich an der großen Kunst des Fußballspiels zu erfreuen, dürfte an
der falschen Adresse sein, wie gerade angesichts der schon so früh in der Spielzeit fast verzweifelten
Situation der Hausherren, bei denen durchaus schon der sprichwörtlich Busch brennt, bereits vor Anpfiff
klar ist. Wie falsch man ist, zeigt sich dann aber erst während des Spiels, über das man ohne große
Übertreibung unter dem Aufmacher "1. FC Not gegen FC St. Elend" berichten könnte. Die Initiative ist
ganz auf der Seite der Hausherren, die gegen eine ebenso inaktive wie defensivschwache Gästemannschaft
mit blinder Wut anrennen und dabei zu einigen nennenswerten Torchancen kommen, letztendlich aber alle
vergeben. Ohne hier auf die Einzelfälle eingehen zu wollen, kann man am Ende nur zu dem Fazit kommen,
daß bei jeder einzelnen dieser Möglichkeiten Pech dazukommt, daß kein Treffer daraus hervorgeht,
in der Summe daraus jedoch eine gehörige Portion Unvermögen hervortritt. Ein Befreiungsschlag sieht
jedenfalls anders aus, und es ist nicht zu erwarten, daß sie die Lage in Köln kurzfristig beruhigt, zumal
man am kommmenden Freitag bei Union Berlin kein leichtes Spiel hat. Der FC St. Pauli muß am gleichen
Tag ebenfalls auswärts antreten,
und zwar beim unerwarteten Spitzenteam vom FSV Frankfurt 1899, der sich mit zehn Zählern aus fünf Spielen
anschickt, ein ernsthafter Aufstiegsaspirant zu werden.
Auch in Bezug auf die Stimmung beim Spiel weiß man am Ende nicht so richtig, was man da heute eigentlich
erlebt hat. Man könnte von einer "stimmungsvollen Kulisse" schreiben, denn auf beiden Seiten gibt man
sich deutlich Mühe, sein jeweiliges Team zu unterstützen. Auch die Gäste, die fast ohne auffällige
Utensilien in ihrem Block auch akustisch gut präsent sind - hier hat es wohl eine längere Verbotsliste
seitens der Hausherren gegeben - halten dabei gut mit. Irgendwie geht es aber für Kölner Verhältnisse
sehr beschaulich zu, und es schleicht sich das Gefühl ein, daß die zuletzt immer wieder kritisierte
Kölner Fanszene, die wegen einiger rabiater Aktionen in der letzten Zeit in der deutschen Presse war, selbst nicht so richtig weiß, wie man mit dieser
Situation umgehen soll. Ob es zielführender ist, die verunsicherten Spieler am Händchen oder gar fest
in den Arm zu nehmen und ihnen Selbstvertrauen einzuimpfen, oder ob man gegen die Mannschaft auf die
Barrikaden gehen sollte. Gerade in diesem Punkt ist man zuletzt zumindest in einem Fall bekanntlich deutlich
über das Ziel hinausgeschossen und hat in krimineller Weise den Spieler Pezzoni zur Vertragsauflösung gedrängt.
Da muß man sich doch auch ganz unabhängig von den Methoden nach dem Weltbild dieser Menschen fragen. Wenn
ein erfolgreicher Spieler aus seinem (von beiden Seiten unterschriebenen) Vertrag will, ist er ein Verräter
und Söldner, aber wenn ein Spieler seiner Form hinterherläuft, nötigt man ihn seinen (von beiden Seiten
unterschriebenen) Vertrag zu seinen Ungunsten aufzulösen - daß die Welt so nicht funktionieren kann, sollte
eigentlich jedem Grundschüler nach dem vierten Schuljahr klar sein!
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