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SV Wilhelmshaven |
12.09.2006, Jade-Stadion im Sportforum, Regionalliga Nord |
Der SV Wilhelmshaven ist zur aktuellen Saison in die Regionalliga zurückgekehrt, die man in der Saison 2001/2002 hatte
verlassen müssen, ohne sportlich abgestiegen zu sein. Der DFB hatte einen Verstoß gegen die Lizensierungsbedingungen festgestellt
und den Jadestädtern die Lizenzerteilung verweigert. Da eine nötige Bürgschaft nur Minuten zu spät an den DFB gefaxt worden war, wurde in Wilhelmshaven eine Verschwörung zugungsten von Fortuna Düsseldorf, die so in der Klasse bleiben konnten, gewittert - andere vermuteten, daß der SVW sich selbst nicht finanziell stark genug für die Liga wähnte und mit diesem Trick die Schuld dem DFB zuschieben konnte, statt mit offenen Karten zu spielen. Was damals auch immer vorgefallen sein mag, in der Oberliga Nord Saison 2005/2006 errangen die Wilhelmshavener mit vier Punkten vor dem BC Cloppenburg den Staffelsieg und so haben sich die Regionalliga und der SV Wilhelmshaven wieder. Heute stellt sich der FC St Pauli an der Nordseeküste vor, der so gerne aufsteigen würde und am heimischen Millerntor auch eine Macht darstellt, mit seiner unerklärlichen Auswärtsschwäche aber schon früh die eigenen Aufstiegspläne torpediert. Zuletzt hat es viel Lob für den FC gegeben, als man im DFB-Pokal gegen den FC Bayern München eine Verlängerung erzwang und nur unglücklich unterlag, aber ob das viel für den Ligaalltag bringen wird, ist abzuwarten.
Im ersten Abschnitt läuft das Spiel völlig an den Gästen vorbei, die plan- und ideenlos über den Platz stolpern und vermutlich selbst
in ihrer als progressiv geltenden Anhängerschaft einige dazu bringen, mal wieder wohlwollend über die Prügelstrafe nachzudenken. Obwohl auch die Hausherren keine große Fußballkunst bieten, kommt es fast zwangsläufig zu Chancen und Toren für den SV Wilhelmshaven, so daß es
beim Pausenpfiff des Schiedsrichters Winkmann aus Kerken fast besiegelt erscheint, daß die Braun-Weißen auch nach der heutigen Partie ohne jeden Auswärtspunkt dastehen werden. Der zweite Abschnitt bringt allerdings ein völlig neues Bild - plötzlich sprüht die Mannschaft aus Hamburg vor Energie und scheucht die Hausherren mächtig über den Platz. Dabei mag beflügeln, daß man schon nach vier Minuten in der zweiten Hälfte zum Anschlußtreffer kommt, auf jeden Fall liegt die Wende in der Luft und innerhalb von nur sieben Minuten scheint die dann auch vollendet, als zunächst Michél Mazingou-Dinzey für den Ausgleich sorgt (60.) und dann mit Felix Luz der Schütze des Anschlußtreffers per Foulelfmeter für die Führung der Gäste sorgt. Ein 3:2-Sieg nach 0:2-Rückstand könnte die Wende im Verhältnis des FC St Pauli zu Auswärtsspielen bedeuten, nur über die Zeit bringen muß man ihn. Zunächst blieben die Gäste das überlegene Team, versäumen aber einen weiteren Treffer zu erzielen und nach und nach scheint man kräftemäßig abzubauen, bis die Kiezkicker in den letzten Minuten der Partie kurz vor dem technischen KO zu stehen scheinen. Am Ende ist es dann aber doch eher die Konzentration, die fehlt, als die körperliche Kraft - was sicher auch irgendwo Hand in Hand geht - und man versäumt in der 88. Minute den Wilhelmshavener Bella bei seinem Lauf über den linken Flügel entscheidend zu stören, so daß er die entscheidende Vorlage geben kann, die Joker Kotula im Netz unterbringt und so stehen die Hamburger wieder mit fast leeren Händen da und scheinen auf eine echte Krise hinzusteuern - falls man nicht schon mitten drin steckt.
Die Stimmung auf Heimseite ist nicht mehr als Durchschnitt, scheint aber für den SV Wilhelmshaven schon etwas Besonderes darzustellen,
denn man weist nach dem Spiel ausdrücklich darauf hin, daß man sich bei seinem Publikum bedanken müsse, so toll zum Ausgleichstreffer angetrieben worden zu sein. Nüchtern betrachtet fällt erst mal auf, daß man keinerlei optischen Support liefert und auch beim Intro weder Schwenkfahnen noch Doppelhalter zu sehen sind. Aber gut - vielleicht haben es die SVW-Fans ja nicht so mit Ultra-Gehabe und stehen mehr auf den guten alten akustischen Support. Nur von dem ist dann auch nicht so viel zu hören, zwar ist man schon durchgehend mit Sprechchören beschäftigt, aber die kommen nur von einer sehr kleinen Gruppe hinter dem Tor und erzeugen nicht gerade Hexenkesselatmosphäre. Bei den Hamburgern gibt man sich alle Mühe, trotz der erbärmlich schlechten ersten Halbzeit ein wenig auf die Beine zu stellen, das kommt aber auch meistens eher wie ein Pflichtprogramm rüber. Erst im zweiten Abschnitt kommt man besser in Form und zeigt so eine ähnliche Leistungskurve wie die Mannschaft. Die große Fete nach dem Abpfiff bleibt dann natürlich auch - stattdessen gibt es frustrierte Gesichter zu sehen - dank der 88. Minute. Ein kleines Wort noch zu den Ordnern des SV Wilhelmshaven, die sehr korrekt und nett rüberkommen und wenn an anderer Stelle moniert wird, daß keine Frauen zum Abtasten weiblicher Gästefans anwesend sind, muß auch mal angemerkt werden, daß die Kontrollen nicht allzu hart sind und Frauen soweit von uns verfolgt überhaupt nicht abgetastet werden.
Das Jadestadion Wilhelmshaven ist relativ neuen Datums - erst seit 1999 trägt der SV hier seine Spiele aus. Alle Bereiche des Stadions
bis auf den Gästeblock sind überdacht (so symbolisiert man vermutlich Gastfreundschaft) und optisch wird die Anlage im Wesentlichen von den Flutlichtmasten geprägt, die wie zu groß geratene Straßenlaternen aussehen und argwöhnisch über die Stadiondächer gebeugt das Geschehen auf dem Rasen verfolgen. Die Längsseiten verfügen über blaue Schalensitze, die so keinen besonderen Bezug zu den rot-gelben Vereinsfarben des SV zeigen und in der Mitte der Haupseite ist eine verglaste Loge untergebracht, damit auch wichtige Leute in angemessener Manier dem Geschehen auf dem Platz folgen können. Hinter den Toren gibt es jeweils Stufen - eben einmal überdacht für die Heimfans und einmal "oben ohne" für die Gästefans. Der Zugang zum Gästeblock erfolgt übrigens über eine Brücke, unter der die Heimfans durchflanieren und so das ganze Stadion umrunden können - erinnert ein wenig an den Gästetunnel in manchen niederländischen Stadien wie dem Kuip in Rotterdam. Alles in allem kommt das Jadestadion sehr originell und sehenswert daher, als richtiges Schmuckkästchen, um dem Phrasenschwein die Ehre zu geben. Nur etwas größter hätte es wohl werden dürfen, denn 7500 Plätze erscheinen etwas knapp, aber wenn selbst gegen St. Pauli nur 5000 kommen, wird das wohl am Ende auch passen.
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